Oben sehen Sie die Silhouette eines sich drehenden Figürchens. Dreht es sich mit oder gegen den Uhrzeigersinn?
Was man machen kann
Entscheiden Sie sich, in welche Richtung sich die Figur dreht und versuchen Sie nun gedanklich, sie sich in die andere Richtung drehen zu lassen – nicht ganz einfach, aber möglich. Eventuell hilft es, zu zwinkern oder sich auf bestimmte Körperteile der Figur zu konzentrieren. Für viele Betrachter ist es eine Hilfe, sich auf die Zehenspitze des ausgestreckten Beines zu konzentrieren und diese „vor den Bildschirm zu ziehen“ anstatt sie hinter dem Körper verschwinden zu lassen.
Zur Unterstützung können Sie “Show spheres” anhaken. Dann sieht man eine Ballkette drehen, und man kann die Figur “anhängen”. Wenn man nun die Ballrichtung mit dem Knopf “Spheres: ↺ ⇄ ↻” umdreht, dreht sich Figürchen mit – Silhouetten haben keine eindeutige Drehrichtung, auch wenn es sich so anfühlt. Erst wenn man mit “Lighting” das Modell beleuchtet, hat nun eine eindeutige Drehrichtung – eventuell umgekehrt, als man dachte.
Wenn man “Eyes” anhakt, dann sieht man schwarze Augen an der Vorderseite. Auch damit kann man die Drehrichtung disambiguieren, aber nicht so stark wie mit “Lighting”.
Kommentare
Silhouetten sind immer doppeldeutig. Unser Gehirn versucht, die zweidimensionale Darstellung auf dem Bildschirm in die räumliche Dimension umzuwandeln, indem es Informationen hinzufügt, die zwar realistisch, aber in der angezeigten Darstellung nicht vorhanden sind. Im Fall einer Silhouette gibt es dafür zwei Interpretationsmöglichkeiten – also zwei mögliche Drehrichtungen. Sie sind jedoch nicht gleichwertig, da der Betrachter bei einer Linksdrehung in der angezeigten 3 D-Darstellung die Figur von unten zu sehen scheint – man sieht die Fußsohle. Dies könnte eine Erklärung für die statistisch häufigere Interpretation der Drehung im Uhrzeigersinn sein.
Dieses Pänomen war Ende 2007 sehr populär im Internet, mit 2 ärgerlichen Aspekten:
Die Copyright-Kennung des Originalautors wurde entfernt. Frechheit! Hier ist (ursprünglich) das Material mit freundlicher Genehmigung des Originalautors, Noboyuki Kayahara, verwendet worden.
Eine irrige und fehlerhafte Erklärung nahm Bezug auf die (populär massiv übertriebenen) Unterschiede der rechten und linken Hirnhemisphäre und behauptete, je nach Drehrichtung sei man rechts- oder linkshemisphärisch dominiert (aber im Internet ist ja eh’ etwa die Hälfte falsch…).
Bei einem Vortrag im Freiburger Planetarium führte ich ein informelles Experiment durch: Ich zeigte den Silhouettenfilm für 10 s, dann fragte ich die Zuhörerschaft wie sie die Drehrichtung gesehen hatte: Von 61 Frauen sahen sie 49 im, und 12 gegen den Uhrzeigersinn. Von 60 Männern sahen sie 50 im, und 10 gegen den Uhrzeigersinn. Also sahen ca. 80% Uhrzeigersinn, unabhängig vom Geschlecht. Inzwischen hat die Erfahrung gezeigt, dass diese Werte stark streuen können.
Blake A, Palmisano S (2021) Divergent Thinking Influences the Perception of Ambiguous Visual Illusions. Perception 50:418–437 Die Autoren finden KEINEN Effect irgendeines der “big five” Persönlichkeitsmerkmale auf die Umkehrrate. Der Titel der Arbeit ist eh irreführend: Wenn man bezüglich multiplem Testen korrigiert (wie es korrekt wäre) ist kein Effekt signifikant, trotz der beeindruckend hohen (119, toll!) Teilnehmerzahl.